Kinderbibliotheken, Jugendbibliotheken und Schulbibliotheken
Kinder-, und Jugendbibliotheken
Alle Öffentlichen Bibliotheken, egal in welcher Trägerschaft und Größe, schenken seit jeher der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen, beginnend im Kleinkindalter bis zur Volljährigkeit, ihre besondere Aufmerksamkeit.
Dies wird angesichts der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Bedeutung der Bibliotheksarbeit mit Kindern und Jugendlichen umso verständlicher, je mehr solche Kernkompetenzen wie Sprachfrühförderung, Leseförderung sowie Medien- und digitale Kompetenz in den Fokus der Bildungsarbeit von Kindergärten und Schulen gerückt sind. Nicht zuletzt die für Deutschland kritischen PISA-Ergebnisse in den letzten 20 Jahren führten in allen Bundesländern zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Impulsen zwecks Beseitigung der vorhandenen Defizite.
Weitaus stärker als jede andere Bevölkerungsgruppe besuchen und benutzen Kinder und Jugendliche bis etwa 14/15 Jahre eine Öffentliche Bibliothek bzw. Schulbibliothek. Sie treffen in vielen Stadt- und Gemeindebibliotheken auf eine integrierte Kinder- und Jugendbibliothek, zumindest aber auf eine entsprechend gestaltete Abteilung oder einen Bereich innerhalb der Öffentlichen Bibliothek.
In einigen Großstädten gibt es von der Zentralbibliothek baulich getrennte eigene Kinderbibliotheken. Schon seit geraumer Zeit wird das spezielle bibliothekarische Augenmerk auf die Altersgruppe der 3- bis Zwölfjährigen gelegt und für sie Kinderbibliotheken oder Kinderabteilungen mit altersgerechter Einrichtung und Buch- und Medienausstattung aufgebaut. Vielfach beginnt die Kinderbibliotheksarbeit heute bereits mit Spiel-Aktionen für das Baby- und Krabbelalter.
Eigene Kinderbereiche, coole Jugendbibliotheken, bunte Veranstaltungspalette
Waren es zunächst kombinierte Kinder- und Jugendbibliotheken, die ein Buch- und Medienangebot bis zum Alter von 15 Jahren vorhielten, so geht der Trend der letzten Jahre eindeutig dahin, für die Älteren eigene Jugendbibliotheken bzw. -zonen einzurichten. Gleiches gilt für den Kinderbereich.
Frei zugänglich finden die jungen Besucher*innen hier in vielfach smart und einladend eingerichteten Nutzungszonen neben Büchern und Zeitschriften auch digitale Medien aller Art, wie elektronische Spielekonsolen, internetfähige PCs oder Tablets
Wurden im Jahr 2015 deutschlandweit in allen Öffentlichen Bibliotheken noch ca. 371.000 Veranstaltungen durchgeführt, wobei rund zwei Drittel der Aktionen auf die Altersgruppe von 4 bis 16 Jahren entfielen, so ging die Zahl der Aktionen in den Corona-Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Lockdowns und Hygiene-Auflagen auf mehr als die Hälfte zurück. Nach wie vor bleibt es wichtig, durch Pressearbeit und Marketing über die vielfältige Programmarbeit der Bibliotheken zu informieren – allesamt elementare Aufgabenfelder, die zur kulturellen Identität einer Kommune gehören und die Integration fördern, aber auch eine entsprechende Qualifizierung des Bibliothekspersonals verlangen.
Die in den USA entstandene Idee der Summer Readings Clubs wird seit 2002 mit wachsendem Erfolg auch in Deutschland umgesetzt. Zunächst ausgehend von den öffentlichen Bibliotheken in NRW haben sich bis heute nahezu alle Bundesländer der Sommer-Leseclub-Aktion mit unterschiedlich gewählten Namen, Mottos und Logos angeschlossen. Bundesweit rund 1.000 größere und kleinere Abschlusspartys mit überreichten Zertifikaten, Urkunden und Präsenten locken jedes Jahr zum Ende eines „Lesesommers“ zehntausende Teilnehmer*innen in die Bibliotheken. Initiiert und organisiert werden Clubs in den Ländern meist von den staatlichen und kirchlichen Bibliotheksfachstellen und Büchereizentralen in Zusammenarbeit mit den örtlichen Bibliotheken. Um einen bundesweiten Austausch zu erleichtern, wurde das Netzwerk „Leseclubs im Sommer“ gegründet.
Zusammenarbeit von Bibliothek und Schule
Seit jeher sind Bibliotheken und Schulen eng miteinander verknüpft, wenn auch die Zusammenarbeit der Schulen und ihrer Schulbibliotheken mit den Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken über Jahrzehnte hinweg vernachlässigt wurde. Die Gründe sind vielfältig und betreffen sowohl die schulische als auch die bibliothekarische Seite.
Seit dem PISA-Schock im Jahr 2000 sind zahlreiche Initiativen gestartet worden, das Neben- und Gegeneinander zu überwinden. Auch wuchs die Erkenntnis, dass Schulen, Öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken auf vielen Feldern gemeinsame Bildungsaufgaben erfüllen und durch Kooperation an Profil gewinnen können. Mit dem Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen – ein bundesweiter Trend seit der Jahrtausendwende – wächst zudem der Bedarf an attraktiven, multimedial ausgestatteten Lernräumen, die aktive und selbständige Lernprozesse unterstützen.
Inzwischen stellen regionale Kooperationsvereinbarungen, die durch die Landesverbände des dbv mit den Bildungsministerien in 14 Bundesländern abgeschlossen wurden, die Zusammenarbeit zwischen Öffentlicher Bibliothek und (Ganztags-)Schule auf eine verbindlichere Basis; zugleich befördern sie regional – wenn auch bisher mit begrenztem Erfolg – die politische Diskussion über die Bedeutung von Bibliotheksarbeit, Lese- und digitaler Kompetenz.
Der bildungspolitische Auftrag der Öffentlichen Bibliothek manifestiert sich ganz ausgeprägt in der Zusammenarbeit mit den Schulen bzw. mit den Schulbibliotheken.
Schulbibliotheken und -mediotheken: schuleigene und kombinierte Formen
Durch ihre verschiedenen Funktionen bieten Schulbibliotheken und -mediotheken gute Voraussetzungen für eine ganzheitliche Sprach-, Lese- und Medienerziehung. Sie stellen für Lehrer*innen und Schüler*innen unterrichtsrelevante Bücher und andere Medien zur Verfügung und besitzen ebenso populäre Kinder- und Jugendbelletristik sowie gedruckte und digitale Nachschlagewerke. Über den Lernort Bibliothek hinaus, der Strategien zur Informationsgewinnung und Medienkompetenz vermitteln will, wollen und sollen sie auch Lesemotivation und -spaß erzeugen.
Bei angemessener finanzieller, personeller und räumlicher Ausstattung sind Schulbibliotheken gut geeignet, als Informationszentrum, Unterrichtsraum, Kommunikationsplattform und kulturelles Zentrum (inkl. Zentrum für die Medienproduktion) zu dienen und mit ihren Angeboten und Dienstleistungen zur Leseförderung und Freizeitgestaltung beizutragen. Funktionsbeschreibungen finden sich in diversen Modellen wieder, die oft nicht trennscharf voneinander abgrenzbar sind: Dabei handelt es sich um Schulbibliotheken als „Unterrichtsort“, als „Lern-Lese-Raum“, „Selbstlernzentrum“, „Sozialraum“, als „schulfreier Raum“ oder als „Stadtteilbibliothek“.
Eine Schulbibliothek unterscheidet sich in einigen wichtigen Bereichen grundlegend von einer Öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliothek. Sie ist ein Serviceangebot an die Schulgemeinschaft und sollte stets in deren Qualitätsprogramm verankert werden. Dies hat Auswirkungen auf den Bestand, den Betrieb und die Nutzung.
Schulbibliotheken kommen in unterschiedlicher Organisations- bzw. Betriebsform vor: Werden sie als selbständige Einrichtung innerhalb der Schule betrieben, ist die Schule der verantwortliche Träger und die Dienstleistungen der Bibliothek werden aus Mitteln der Schule bzw. Spenden oder Zuwendungen eines Fördervereins finanziert.
Neben den selbständigen Schulbibliotheken existieren integrierte Formen, bei denen Schulbibliotheken und Öffentliche Bibliotheken gemeinsame Räume bzw. Infrastruktur nutzen: in Variante 1 entweder eine Öffentliche Bibliothek, die über Räume in der Schule verfügt oder in Variante 2 eine Schule, die eine nahegelegene Öffentliche Bibliothek nutzt. Kennzeichnend für die Betriebsform als Zweigstelle einer Öffentlichen Bibliothek ist neben der räumlichen Einheit die Trägerschaft durch die Öffentliche Bibliothek. Ihr Vorteil: Die Schule hat keine personellen oder sonstigen Lasten zu tragen und profitiert von ihrem Standortvorteil. In dieser Betriebsform kann eine gewisse Einhaltung bibliotheksfachlicher Standards gewährleistet werden, während durch Lehrer*innen geführte, selbständige Schulbibliotheken mitunter zu „individuellen Eigenlösungen“ neigen und knappen Ressourcen auch nur eingeschränkte Angebote und Dienstleistungen anbieten können.
Inzwischen gewinnen kommunale Kooperationsmodelle an Bedeutung: Durch Einsatz von Internet und digitaler Medien auch im Unterricht intensiviert sich mancherorts die Zusammenarbeit mit Kreis- und Stadtbildstellen bzw. den Landesmedienzentren.Die schuleigene Bibliothek stellt im Vergleich zur kombinierten Schulbibliothek eindeutig die Mehrzahl in Deutschland dar, ist aber im Gegensatz zum zweiten Typus nur selten hauptamtlich bzw. fachlich geleitet.
Unbefriedigende Ausstattung der Schulen mit Schulbibliotheken
Trotz der anerkannten bildungspolitischen Bedeutung der Schulbibliotheken, die im Jahr 2000 durch das Manifest der UNESCO „Lehren und Lernen mit der Schulbibliothek“ noch bekräftigt wurde, ist die Einrichtung, Ausstattung und fachliche Betreuung von Bibliotheken an vielen Schulen in Deutschland unbefriedigend.
Viele Expert*innen sprechen von einem „schulbibliothekarischen Entwicklungsland“, auch wenn als Folge der diversen PISA-Ergebnisse und der Einführungen von Ganztagsschulen ein gewisser Boom zu erkennen ist. Die bloße Existenz einer Schulbibliothek erlaubt noch keine Aussage über deren Qualität, da das Leistungsspektrum sehr breit ist. Einige jüngst entstandene moderne „Leuchtturm-Bibliotheken“ führen eine friedliche Koexistenz mit veraltet ausgestatteten Schulbibliotheken und Bücherecken, die teilweise ihren Ursprung noch in den 1970er und 1980er Jahren haben.
Was als dringendes Desiderat bislang fehlte, waren empirische Daten über Anzahl, Größe und Ausstattung von Schulbibliotheken. 2022 wurden erstmals Schulbibliotheken zur Teilnahme an der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) aufgerufen, um für das Berichtsjahr 2021 valide Daten ermitteln zu können. Insgesamt haben sich 322 Schulbibliotheken an der Erfassung beteiligt, das entspricht etwa 24 % der in der DIPF-Datenbank aufgelisteten Adressen und rund 13 % der geschätzten Gesamtzahl von bundesweit ca. 2.300 – 2.500 „echten“ Schulbibliotheken. Die erste Auswertung liefert jedoch nur ein sehr punktuelles Bild der Gesamtsituation, da von den 322 Schulbibliotheken ca. 110 zum Großstadtsystem der Stadtbibliothek Frankfurt/Main und ca. 50 zum System der Stadtbibliothek Leipzig gehören. Immerhin bestätigt die Erhebung bisherige Erfahrungswerte beim Personaleinsatz: 10 % der in Schulbibliotheken eingesetzten Kräfte haben eine bibliothekarische Ausbildung, 15 % eine pädagogische Ausbildung und 75 % sind ehrenamtliches Personal mit unterschiedlichen Kenntnissen. Es bleibt zu hoffen, dass künftige DBS-Erhebungen mit größerer Teilnehmerzahl eine repräsentativere Übersicht ermöglichen.
Kritisch betrachtet, stellt Deutschlands Schulbibliothekslandschaft bis heute einen Flickenteppich dar, der in Bundesländern mit zufriedenstellend ausgestatteten Bibliotheksfachstellen, engagierten Landesarbeitsgemeinschaften bzw. -Kommissionen oder in Großstädten mit Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen durchaus vorzeigbare Entwicklungen aufweist.
Neben den regionalen Aktivitäten kann auf Bundesebene die dbv-Kommission „Bibliothek und Schule“ wichtige Impulse zur Bibliotheksentwicklung setzen, vor allem durch das Webportal Schulmediothek.de, das im Portalverbund Deutscher Bildungsserver des Deutschen Institutes für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) gehostet wird. Dort sind umfassende Informationen und Arbeitshilfen zu Schulbibliotheken hinterlegt, eine monatlich aktualisierte Mailingliste informiert über neue Entwicklungen. Eine Datenbank „Schulbibliotheken” listet derzeit 1363 Adressen von Schulbibliotheken aus deutschen Bundesländern, deutschen Auslandsschulen sowie aus deutschsprachigen Nachbarstaaten auf, mit deren Hilfe Standort-Adressen und Webseiten der Einrichtungen recherchierbar sind. Fortschritte versprechen auch die Entwicklung des Konzeptes „Modelle schulbibliothekarischer Versorgung“, die Erarbeitung eines Curriculums, die redaktionelle Betreuung der Rubrik „Schulbibliothek aktuell“ in der Fachzeitschrift „kjl&m“ (früher „Beiträge Jugendliteratur und Medien“) sowie ein erstes themenspezifisches Fortbildungsangebot.
Das Hauptproblem ist und bleibt der bildungspolitische als auch rechtlich fehlende Regelungsrahmen, der verbindliche und übergreifende Vorgaben ermöglicht. Ein Dauerhindernis ist die unklare Zuordnung von Schulbibliotheken. Wenn sie, wie bisher oft üblich, als reine Verwaltungsaufgabe definiert werden, fallen sie ähnlich wie Gebäude oder Hausmeister in die Zuständigkeit des jeweiligen Schulträgers, d.h. der Kommunen oder Landkreise und sind damit, auf die Landesebene übertragen, wie Öffentliche Bibliotheken eine Angelegenheit des für Kultur zuständigen Ministeriums.
Groben Schätzungen zufolge verfügen 20-22 % der rund 39.250 allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland über eine Schulbibliothek bzw. Leseecke, das sind ca. 8.250 Einrichtungen. Bestenfalls 2.300 – 2.500 Schulen (rund 6 %) haben sachlich adäquat ausgestattete Schulbibliotheken. An schulbibliothekarischem Fachpersonal, Bibliothekar*innen oder FaMI-Fachangestellten fehlt es jedoch nahezu überall. Besonders kritisch sieht die Situation in vielen Grund-, Haupt- und Realschulen aus, in denen nur selten schuleigene bzw. kombinierte Schulbibliotheken vorhanden sind. Allenfalls im Bereich der Gymnasien kann von einer ausreichenden Anzahl von Schulbibliotheken gesprochen werden. Nur in wenigen Fällen, vor allem in neu erbauten Gymnasien, Gesamt- und Ganztagsschulen, werden die geforderten Richtwerte der Schulbaurichtlinien für Flächenbedarf und Medienausstattung erreicht. Zu rund 80 % erfolgen die Leitung und Betreuung von Schulbibliotheken durch nebenamtlich tätige Lehrer*innen oder ehrenamtliche Eltern und Schüler*innen. Gelegentlich sind Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder im Bundesfreiwilligendienst anzutreffen.
Mit seiner „Frankfurter Erklärung“ aus dem Jahr 2015 verdeutlichte der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) in Form einer ausführlichen Stellungnahme den Beitrag der Bibliotheken zu den zentralen Handlungsfeldern der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Das Papier „Lesen und Lernen 3.0: Medienbildung in der Schulbibliothek verankern“ unterstreicht diesen Anspruch für den Bereich der Schulmediotheken und konkretisiert damit den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8.3.2012 zur „Medienbildung in der Schule“.
Eine 2018 beschlossene Grundgesetzänderung hat zusammen mit dem „Digitalpakt Schule” u. a. die Fördermöglichkeiten des Bundes für Investitionen im Schulbereich in den Bundesländern verbessern können. Sie wird auch als Chance verstanden, die früheren vereinzelten Fördermaßnahmen (wie etwa das IZBB-Programm „Initiative Zukunft, Bildung und Betreuung“ von 2004 – 2007) – ggf. erweitert auf Kindergärten, Bibliotheken und Volkshochschulen – auf soliderer Basis zu verstetigen. Nunmehr ist im Grundgesetz die Sicherstellung von Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungssystems in Bund und Ländern mit Verfassungsrang verankert. Im Rahmen eines „Digitalinfrastrukturfondsgesetzes” wurden bis Ende 2022 insgesamt 2,4 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Vor allem die Bemühungen um eine verbesserte Leseförderung in den Schulen, hier unterstützt durch entsprechende IT-Hardware, Laptops und digitale Medien u.a. in Schulbibliotheken, erhalten damit einen wichtigen Schub.
Redaktion und Kontakt
Autor der Bearbeitung
Jürgen Seefeldt
Die statistischen Zahlen zu Bibliotheken in Deutschland werden jährlich von der Redaktion mit den Zahlen der Deutschen Bibliotheksstatistik abgeglichen.
Ausführliche Quellenangabe