Lokales Marketing und Omni-Channel-Strategie

Bedeutung Lokales Marketing

Bibliotheken stehen heute vor sehr ähnlichen Problemen wie der stationäre Handel: Sie müssen sich gegenüber Wettbewerbern, die (fast) ausschließlich auf den Online-Handel (Distanzhandel) setzen, behaupten. Viele Produkte werden online bestellt und an einen Ort der Wahl der Kund*innen geliefert. Der persönliche Kontakt entfällt beim Distanzhandel, doch nehmen Kund*innen dieses Defizit in Kauf. An die Stelle der persönlichen Beratung tritt zunehmend die Orientierung an Bewertungen anderer Kund*innen. Die Vorteile des Online-Handels liegen u.a. in der großen Produktvielfalt, der Verfügbarkeit rund um die Uhr, den bequemen Liefermöglichkeiten und in weiten Teilen auch in der Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen.

Aber weiterhin möchten Kund*innen Produkte ausprobieren, fühlen, schmecken und riechen. Insbesondere die haptische, gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung lässt sich über den Distanzhandel nicht bzw. nur bedingt transportieren. Das ist der Grund dafür, dass viele große Unternehmen, die fast ausschließlich auf den Online-Handel gesetzt haben, in Großstädten Showrooms bzw. Markenstores eröffnen, um Defizite der Produktpräsentation ausschließlich über die Webseite auszugleichen.

Zudem sind viele Anbieter abhängig vom persönlichen Kund*innenbesuch. Dazu gehören Friseure, Restaurants, Bäckereien etc., auch wenn diese zusätzlich in Teilen Lieferdienste anbieten. Und natürlich auch Bibliotheken, vor allem wenn es um das Thema „Bibliothek als dritter Ort“ geht. Für Bibliotheken gilt es also, durch gezielte lokale Marketingmaßnahmen ihre Sichtbarkeit im lokalen Umfeld zu erhöhen. Dadurch gelingt es Bibliotheken, präsent zu sein, wenn (potenzielle) Kund*innen in ihrer unmittelbaren Umgebung einen entsprechenden Bedarf an bibliothekarischen Dienstleistungen haben.

Im Mittelpunkt muss heute aber die Verknüpfung von online und offline stehen. Und online bedeutet nicht zwingend Distanzhandel. Online-Marketing unterstützt ganz maßgeblich auch den lokalen Handel denn, viele

  • nutzen das Internet, um ein lokales Geschäft zu finden;
  • suchen regelmäßig online nach einem lokalen Anbieter/Geschäft;
  • lesen Online-Bewertungen von lokalen Geschäften.

Dieses Verhalten wird auch als Research Online Purchase Offline (ROPO) bezeichnet. Es beschreibt das Verhalten von Kund*innen, sich vor dem Kauf eines Produktes oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung im Internet zu informieren. Der Kauf findet aber letztlich offline in einem lokalen Geschäft statt. Für Bibliotheken gilt es, diese sogenannten ROPO-Kund*innen gezielt anzusprechen und von deren Vorab-Online-Recherche zu profitieren. Das funktioniert aber nur, wenn das Online-Marketing mobil verfügbar ist, denn die Menschen verbringen sehr viel Zeit unterwegs, z.B. mit Pendeln zur Arbeitsstelle und zurück, aber auch mit Warten. Und diese Zeit wird häufig am Smartphone verbracht. Gleichzeitig sind die Menschen beim Warten, z.B. im Bahnhof, an einer Haltestelle etc. besonders aufnahmefähig für Offline-Marketing. Dazu gehören u.a.:

  • Plakatwerbung im Umfeld, z.B. an einer Haltestelle und
  • Nachrichten und Wetterberichte auf digitalen Bildschirmen im öffentlichen Raum.

In der Folge wird z.B.

  • ein Plakat fotografiert;
  • ein QR-Code eingescannt und
  • sich online über ein beworbenes Angebot informiert.

In der Konsequenz bedeutet dies aber, dass die meisten Kund*innen heute gut informiert in ein Geschäft kommen. Sie erwarten daher, dass:

  • das Verkaufspersonal über umfängliches Fachwissen verfügt,
  • das Ambiente ansprechend ist, z.B. mit Sitzgelegenheiten und
  • die Verfügbarkeit eines Produktes in einer anderen Filiale oder im Online-Shop direkt vom Verkaufspersonal geprüft wird.

Fragen des Personals an die Kund*innen, wie „Haben Sie schon einmal online geschaut?“ sind völlig unangemessen. Die Kund*innen von heute erwarten Lösungen, wenn sie sich in den stationären Handel begeben. Kund*innenservice wird somit zum entscheidenden Faktor für das Marken- und Einkaufserlebnis vor Ort.

Lokales Marketing für Bibliotheken

Da die Kund*innen heute fast alle mit mobilen Endgeräten unterwegs sind, ist es Grundvoraussetzung, die Website der Bibliothek mit Smartphone oder/und Tablet ebenso und mit dem gleichen Komfort bedienbar zu machen wie für Desktop-Rechner oder Notebooks. Responsive Webdesign ist bei einer guten Webseitengestaltung also Standard. Es geht sogar noch weiter: Heute gilt bei der Webseitengestaltung „mobile first“, d.h., die Gestaltung der mobilen Version muss im Vordergrund stehen. Wie gut die eigene Webseite den Anforderungen an mobile Endgeräte gerecht wird, kann über verschiedene kostenlose Tools wie Responsinator getestet werden.

Darüber hinaus gibt es für das lokale Marketing von Bibliotheken einige Rahmenbedingungen:

  • Die Bibliothek muss gut auffindbar sein, z.B. über Wegweiser in der Stadt, auf dem Campus etc.
  • Die Bibliothek muss über lokales Marketing, z.B. Plakate, Flyer etc. im Alltag präsent sein.
  • Die Bibliothek muss über ein ansprechendes Äußeres verfügen und auch innen entsprechend gepflegt sein.
  • Lokale Veranstaltungen, auch in Kooperation, sollten für lokales Marketing genutzt werden, z.B. mit einem kleinen eigenen Stand.
  • Die Suchmaschinenoptimierung muss auch auf die lokale Präsenz optimiert werden, z.B. mit lokalen Keywords wie Stadtteil.

Omnichannel-Marketing

Für Bibliotheken ergeben sich somit neue Herausforderungen, denn ein Alleinstellungsmerkmal mit den dazugehörigen Angeboten muss entsprechend schlüssig kommuniziert werden. Gefragt sind neue Kommunikationsstrategien, d.h., die verschiedenen Kommunikationskanäle, die vielfach bislang nicht oder nur gering miteinander verknüpft sind und unabhängig und nebeneinander voneinander zu nutzen sind, müssen miteinander verbunden werden.

Anzustreben ist daher eine Omnichannel-Strategie, wobei Omni in diesem Kontext nicht heißt, dass alle möglichen Kanäle „bespielt“ werden müssen, sondern dass die relevanten Kanäle und Endgeräte sinnvoll miteinander verknüpft werden. Für die Kund*innen bedeutet dies, dass sie während ihres „Kaufprozesses“ nahtlos von Kanal zu Kanal wechseln können. Die Customer Journey bildet dabei die verschiedenen Phasen ab, die Kund*innen bei der Entscheidungsfindung durchlaufen. Dargestellt wird dieses Omnichannel-Marketing in Abb. 1 und an folgendem theoretischen Szenario:

  • Eine Interessentin für eine Dienstleistung wird z.B. über Social Media auf ein interessantes Angebot aufmerksam, so wird sie von dort aus direkt auf die Website gelangen, um sich über Details zu informieren und zu schauen, ob das Angebot verfügbar ist.
  • Sie stellt fest, dass es insgesamt mehrere Angebote zu dem Themenbereich gibt, die für sie infrage kommen, weshalb sie sich gerne beraten lassen möchte. Sie macht online einen Beratungstermin mit einer Person aus der Informationseinrichtung aus und lässt sich gleichzeitig das von ihr favorisierte Angebot schon einmal vormerken, um es auf jeden Fall in Anspruch nehmen zu können.
  • Sie erwartet eine hohe Qualität bei der Beratung. Am Ende der Beratung kann sich die Interessentin eindeutig für ein Angebot entscheiden und wandelt ihre Vormerkung mittels ‚Click and Reserve‘ in eine verbindliche Bestellung um.
  • Um das Angebot zu bezahlen, werden verschiedene Möglichkeiten angeboten: per PayPal, Rechnung, Kreditkarte etc.
  • Anschließend stöbert sie online weiter im Angebot der Einrichtung und findet ein weiteres interessantes Angebot: ein Seminar, das kürzlich stattgefunden hat. Sie kann sich als Interessentin für dieses Angebot eintragen, obwohl es eigentlich für das nächste halbe Jahr nicht vorgesehen ist. Mit ihrer Eintragung erscheint das Seminar in einer Rubrik ‚Seminare on Demand‘, und auch andere Interessent*innen können sich für das Seminar vormerken lassen. Sobald eine Mindestanzahl an Vormerkungen erreicht ist, wird dieses Seminar zusätzlich in das Programm aufgenommen. Das begeistert die Kundin.
  • Ist die Kundin im Portal der Einrichtung eingeloggt, kann sie ihre gesamte Anfrage- und Buchungs-/Kaufhistorie einsehen.
  • Während der Inanspruchnahme der Dienstleistung postet sie ein Foto auf Instagram und folgt dem Anbieter auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen, um keine interessanten Angebote mehr zu versäumen…
    (Quelle: Schade, Georgy 2023, S. 687)
Die Grafik zeigt eine spiralförmige Linie mit verschiedenen Symbolen, die entlang der Linie positioniert sind. Die Symbole repräsentieren verschiedene Kommunikations- und Interaktionsformen: 1. Ein Smartphone mit einem sozialen Netzwerk-Symbol steht für Social Media. 2. Eine Person mit einem Laptop symbolisiert das Recherchieren am Computer. 3. Ein Telefonsymbol steht für Telefonkommunikation. 4. Ein Smartphone mit einem Einkaufssymbol repräsentiert die Möglichkeit der Vormerkung und Onlinebezahlung. 5. Zwei Personen, die sich gegenüber sitzen, stehen für einen persönlichen Beratungstermin. 6. Ein Globus und ein Computerbildschirm symbolisieren das Online-Angebot. 7. Eine Gruppe von Menschen symbolisiert eine Gruppe von Interessent*innen. 8. Ein Netzwerk-Symbol repräsentiert die Verbindung mehrerer Geräte oder Personen. 9. Ein Handsymbol, das auf ein digitales Element zeigt, steht im Mittelpunkt der Spirale.
Abb. 1: Multi- und Omnichannel-Marketing (eigene Darst. in Anlehnung an G2, zit. nach Affde, 2020)

Eine Omnichannel-Strategie unterstützt also das sogenannte Channel-Hopping und bietet Kund*innen eine Multioptionalität bei der Auswahl und Nutzung der Angebote, was zu einer erhöhten Kund*innenloyalität führen kann. Damit wird Omnichanneling Teil der Gesamtstrategie der Bibliothek, da es sonst nicht konsistent und einheitlich umgesetzt werden kann. Omnichannel-Marketing ist für viele Bibliotheken so noch nicht realisierbar, da Kanalübergänge nahtlos gestaltet werden müssen. Dies ist ein komplexer Prozess, der organisatorische und strukturelle Veränderungen voraussetzt. Da aber immer mehr Unternehmen künftig auf diese Strategie setzen werden, gewöhnen sich die Kund*innen an solche Services und werden diese auch von Bibliotheken erwarten. Bei der Wahl und der Gestaltung der Kanäle hilft vor allem die Reflexion auf das eigene (Such-)Verhalten.

Affde (2020). 5 Entscheidende Taktiken für den Erfolg des Omni-Channel-Marketings im Jahr 2020.

Georgy, Ursula (2019). Lokales Marketing. In: Praxishandbuch Informationsmarketing. Konvergente Strategien, Methoden und Konzepte. Schade, Frauke; Georgy, Ursula. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, S. 445-456.

Schade, Frauke; Georgy, Ursula (2023). E7 Marketing für Informationseinrichtungen. In: Grundlagen der Informationswissenschaft. 7. Ausgabe. Kuhlen, Rainer; Lewandowski, Dirk; Semar, Wolfgang; Womser-Hacker, Christa (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, S. 679-689.

Redaktion und Kontakt

Nach oben