Politischer und verwaltungsorganisatorischer Aufbau der Bundesrepublik Deutschland

Um die Struktur und Gliederung des deutschen Bibliothekswesens zu verstehen, kann die Kenntnis des politischen und verwaltungsorganisatorischen Aufbaus Deutschlands hilfreich sein.

Grundgesetz

Die grundlegenden Festlegungen für die Verfassungsordnung Deutschlands finden sich im Grundgesetz (GG). Das Prinzip des föderativen Bundesstaats schafft die Möglichkeit, staatliche Aufgaben auf die Ebene der Länder und der Gemeinden zu verlagern, was eine stärkere Berücksichtigung regionaler Besonderheiten erlaubt. Nach dem Grundgesetz bauen sich Staat und Verwaltung von unten nach oben, d. h. von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund auf. Die Gesetzgebung bei regionalen Aufgaben obliegt den einzelnen Ländern, gesamtstaatliche Aufgaben bleiben in der Verantwortung des Bundes.

Kulturhoheit der Länder

Die Zuständigkeit für alle kulturellen Angelegenheiten, für Wissenschaft und Kunst sowie für das Schul- und Unterrichtswesen liegt im Wesentlichen bei den Ländern. An dieser „Kulturhoheit“ haben auch die Städte und Gemeinden Anteil, die im Rahmen der Vorschriften der Gemeindeordnung ihres jeweiligen Landes eigene Kompetenzen ausüben (kommunale Kulturautonomie).

Ein bundesweit geltendes „Bibliotheksgesetz“ existiert in Deutschland nicht, jedoch konnten durch erfolgreiche Bemühungen mehrerer Landesverbände des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv) in bislang fünf Bundesländern (Thüringen, Hessen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein) Bibliotheksgesetze auf Landesebene verabschiedet werden; in Nordrhein-Westfalen existiert seit 2019 ein „Bibliothekstärkungsgesetz“ als Teil eines „Kulturfördergesetzes“. All diese Gesetze sind jedoch keine Leistungsgesetze, d.h. sie verfügen über keine bindenden Normen oder Standards, sondern beschreiben i.d.R. den Ist-Zustand und betonen den empfehlenden Charakter ihrer Aussagen, vor allem hinsichtlich der Förderung öffentlicher Bibliotheken durch Kommune und Land. Erstmals sprechen die Gesetze jedoch von Bibliotheken als „Bildungseinrichtungen“ und sie stellen die Pflichtexemplarregelungen für die Landesbibliotheken auf eine verbindliche aktuelle Basis.

Auf Bundesebene gibt es ein Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF), jedoch kein Bundeskulturministerium. Allerdings hat der Bund seit 1998 die noch verbleibenden zentralen kulturellen Aufgaben unter der Verantwortung eines Staatsministers bzw. einer Staatsministerin als Beauftragte*r der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gebündelt; diese Person tritt zugleich als Repräsentant*in der Bundesregierung in Kulturfragen gegenüber dem Ausland auf.

Förderalismusreform

Seit der Föderalismusreform 2006 übernimmt der Bund weiterhin die Forschungsförderung, regelt per Bundesgesetz den Hochschulzugang, die finanzielle Ausbildungsförderung für Studierende (BAföG) und ist für das “Lebenslange Lernen“ zuständig, wohingegen eine bundesweite finanzielle Kulturförderung eng begrenzt bleibt. 2017 haben sich Bund und Länder auf eine erneute Grundgesetzänderung verständigt, damit der Bund künftig auch direkte Investitionen z.B. in kommunale Schulen vornehmen kann. Mit dieser Lockerung des sog. Kooperationsverbotes kamen die Länder einer Forderung des Bundes im Zuge der Einigung auf den neuen Finanzausgleich ab 2020 entgegen; die südlichen Bundesländer sind derzeit die Geberländer, die nördlichen und östlichen die Nehmerländer.

Die weitgehende Dezentralisierung der Gesetzgebung und Verwaltung im kulturellen Bereich und die großen Unterschiede in der Finanzkraft der einzelnen Länder machen Koordinierung und Zusammenarbeit bei bestimmten Aufgaben und deren gemeinsame Finanzierung notwendig. Zur Erfüllung derartiger Gemeinschaftsaufgaben haben die Länder und der Bund verschiedene Einrichtungen geschaffen, deren wichtigste in diesem Zusammenhang die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der Wissenschaftsrat (WR) und die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) sind. Zur Koordinierung wichtiger gemeinsamer bildungs- und kulturpolitischer Aufgaben haben die Länder die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland (KMK) eingerichtet. Da einige Unternehmen im Bereich von Wissenschaft und Forschung weiterhin eine gesamtstaatliche Bedeutung haben, ist es dem Bund möglich, sog. Gemeinschaftsaufgaben zu fördern. Sie betreffen vor allem den Ausbau und Neubau von Hochschulen sowie die „Rahmenvereinbarung Forschungsförderung“ (Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz – WGL)

Einige dieser Einrichtungen und Vereinbarungen sind auch für das Bibliothekswesen bedeutsam: So fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter anderem die DFG sowie mehrere Datenbanken und Modellprojekte bei Erschließung und Digitalisierung, vor allem den Aufbau von Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft (FID), überregionale Lizensierung, Erwerbung geschlossener Nachlässe und Sammlungen sowie Infrastrukturmaßnahmen für elektronische Publikationen und digitale Wissenschaftskommunikation.

Verwaltungsaufbau in den Bundesländern

Politisch regiert und verwaltet werden die Länder durch Landesregierungen, an deren Spitze ein*e Ministerpräsident*in bzw. Regierende*r Bürgermeister*in steht. Innerhalb eines 8-10köpfigen Kabinetts (Senats) sind in der Regel die Kulturministerien bzw. die Wissenschaftsministerien für das Öffentliche bzw. das wissenschaftliche Bibliothekswesen eines Landes zuständig.

In den größeren Bundesländern gibt es staatliche Mittelbehörden (Bezirksregierungen, Regierungspräsidien, Aufsichts-, Struktur- und Genehmigungsdirektionen u.a.) mit einer entweder regional zugeschnittenen oder aufgabenbezogenen Verwaltungszuständigkeit (z.B. den sog. Regierungsbezirk). Eine der wesentlichen Aufgaben dieser Behörden ist die staatliche Aufsicht über die Gemeinden (Kommunalaufsicht).

Die im Bibliotheksbereich von den meisten Ländern eingerichteten bzw. finanziell geförderten Staatlichen Büchereistellen (Fachstellen, Beratungsstellen, Büchereizentralen) haben ihren Wirkungsbereich vielfach im Rahmen der Regierungsbezirke; dort wo Regierungsbezirke aufgelöst wurden oder eine Zentralisierung der Fördereinrichtungen stattfand, sind solche Landesfachstellen für das gesamte Bundesland tätig.

In den Flächenstaaten fällt den Landkreisen und den Kreisfreien Städten (Stadtkreisen) neben ihrer originären Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung auch die Funktion einer unteren staatlichen Verwaltungsbehörde zu.

Kommunale Verwaltungsorganisation

Grundsätzlich sind die Städte und Gemeinden für alle öffentlichen Aufgaben in ihrem Gebiet zuständig, soweit nicht Landes- oder Bundesgesetze andere Regelungen vorsehen. Unter die kommunale Selbstverwaltung fallen Pflichtaufgaben – etwa die Durchführung der Sozialhilfe oder die Einrichtung von Schulen – und sogenannte freiwillige, d.h. frei gestaltbare, nicht einklagbare Aufgaben: Zu diesen gehört der gesamte Kulturbereich mit dem Unterhalt von Theatern, Orchestern, Museen und Bibliotheken.

Durch Kommunalwahlen werden die politischen Gemeindevertreter (Gemeinderat, Stadtrat, Bürgermeister) gewählt, die für einzelne Aufgaben Ausschüsse einsetzen; für die kommunale Bibliothek als wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge ist in der Regel der Kulturausschuss politisch verantwortlich.

Eine Gemeindeverwaltung untergliedert sich – je nach Ortsgröße und Organisationsstruktur – in Dezernate, Fachbereiche und Ämter. Die kommunale Öffentliche Bibliothek kann hierbei ein eigenständiges Stadtamt oder eine dem Schul- und Kulturamt zugeordnete nichtselbstständige Institution sein. Eine ähnliche Zuordnung kennen kommunale Museen, Archive, Volkshochschulen oder Musikschulen.

Zahlreiche Kommunen sind dazu übergegangen, bestimmte kommunale Einrichtungen von der Kernverwaltung zu entkoppeln und in Form von kaufmännisch geführten Eigenbetrieben in neue Betriebs- und Organisationsformen zu überführen, dazu gehören inzwischen auch zahlreiche Groß- und Mittelbibliotheken. Geführt wird ein solcher Eigenbetrieb durch die Werkleitung und den Werkausschuss, dem in der Regel Mitglieder des Gemeinderats angehören.

Deckung des Finanzbedarfs

Steuereinnahmen decken den Finanzbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden. Kommunen und Länder erhalten freie sowie zweckgebundene Anteile aus dem gesamten Steueraufkommen. Die Kommunen können auch eigene Gemeindesteuern (z.B. Gewerbesteuer, Grundsteuer), Abgaben und Gebühren festlegen, während die Landkreise mithilfe jährlicher Umlagen der kreisangehörigen Gemeinden finanziert werden.

Die Aufwendungen für die kommunal und die staatlich getragenen Bibliotheken werden aus den Gesamteinnahmen gedeckt. Die Höhe der Ausgaben und Einnahmen wird in den jährlich von den Gemeinderäten bzw. Landesparlamenten beschlossenen Haushaltsplänen ausgewiesen.

Im Zuge der begonnenen Verwaltungsmodernisierung, die zu einer stärkeren Dienstleistungsorientierung, Neuordnung der Organisationsstruktur und höheren Kostentransparenz der öffentlichen Einrichtungen führen soll, wird auch die Finanzverwaltung reformiert: Bis Mitte der 2020er Jahre wollen alle Gemeinden, später auch die Länder, die gesamte Rechnungslegung von der kameralistischen Haushaltsführung auf eine kaufmännische doppische Buchführung und Budgetierung umgestellt haben.

Eine besondere Rolle und damit auch spezielle rechtliche Regelung kennen die Kirchen in Deutschland. Die zu ihrer Finanzierung nötigen Kirchensteuern werden seit 1919 zusammen mit den Einkommenssteuern vom Staat erhoben und über die Finanzämter eingezogen. Aufgrund der Enteignungen der Kirchen infolge des Reichsdeputationshauptschluss von 1803 werden zusätzlich jährliche Ausgleichszahlungen, sogenannte „Staatsleistungen“, an die Bistümer und Landeskirchen überwiesen. Daraus werden unter anderem auch alle Öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Trägerschaft der Kirchen finanziert.

Redaktion und Kontakt

Autor der Bearbeitung
Jürgen Seefeldt
(Stand: September 2022)

Die statistischen Zahlen zu Bibliotheken in Deutschland werden jährlich von der Redaktion mit den Zahlen der Deutschen Bibliotheksstatistik abgeglichen.

Ausführliche Quellenangabe

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