Verbundsysteme in Deutschland

Entstehung der Bibliotheksverbünde

Seit den 1970er-Jahren entstanden in Deutschland die sogenannten regionalen Verbundsysteme. Auslöser für ihre Gründung war der Grundgedanke, die von anderen Bibliotheken erzeugten Titelaufnahmen für die Katalogisierung der eigenen Neuerwerbungen nutzen zu können und dafür an verschiedenen zentralen Stellen zusammenzuführen.

Die kooperative Erschließung, die sich anfangs nur auf die Formalkatalogisierung erstreckte und später auch die inhaltliche Sacherschließung umfasste, bewirkte für die Buchbearbeitung in den Bibliotheken einen beachtlichen Rationalisierungseffekt. Stetig wachsende Nachweisdatenbanken wurden aufgebaut, die auch zu wichtigen Instrumenten für Recherche und Steuerung des Leihverkehrs wurden.

Aufgaben der Verbundsysteme

Im Laufe der Zeit haben sich die zunächst regional fokussierten Bibliotheksverbünde zu länderübergreifenden Einrichtungen entwickelt. Stand anfangs der Aufbau einer kooperativ geführten Katalogdatenbank im Vordergrund, so entwickelten sich die Verbünde dank Ausbau ihrer Dienstleistungen zu Wettbewerbern auf dem Markt der Informationstechnologie.

Ihr Aufgabenspektrum ist bis heute umfangreich und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten spürbar verbreitert:
Die Führung eines Zentralkatalogs als Monografiennachweis für ältere Bestände der Region bzw. die Überführung dieser Kataloge in maschinenlesbare Form (Retrospektive Konversion), die Planung und Steuerung der IT-Entwicklung einer Verbundregion, die Unterstützung beim Betrieb lokaler Bibliothekssysteme und die Einrichtung von Dokumentlieferdiensten sind beispielhaft zu nennen. Neben die Basisdienstleistungen traten vielfach weitere Aufgaben wie Aufbau Digitaler Bibliotheken, Kataloganreicherung, Zeitschrifteninhaltsdienste, Hostingservices für lokale Bibliotheks-, Publikations-, Speicher- und Archivierungssysteme, Open-Access-Repositorien, konsortiale Lizenzierung kommerziell vertriebener Datenbanken, Volltexte oder E-Books, Forschungsdatenmanagement oder Langzeitarchivierung.

Beispielsweise agiert das HBZ in Nordrhein-Westfalen auch als Host für Open-Access-Publikationen (Digital Peer Publishing), betreut im Auftrag des Kompetenznetzwerks für Bibliotheken (knb) die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) und betreibt das Zentrale Verzeichnis Digitalisierter Drucke (ZVDD).
Das BSZ Baden-Württemberg hostete von 2008 bis 2013 die Deutsche Internetbibliothek, entwickelte den virtuellen Auskunftsdienst InfoDesk, der von verschiedenen wissenschaftlichen Bibliotheken eingesetzt wird, und betrieb mit dem BAM-Portal von 2001 bis 2015 eines der ersten Kulturportale im deutschsprachigen Raum. Das Portal diente als Vorreiter für die spartenübergreifende Präsentation von Daten aus Bibliotheken, Archiven und Museen. Es verlor seine Bedeutung durch den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Das Hauptgeschäft der Verbundzentralen ist jedoch die Unterhaltung eines Bibliotheksrechenzentrums. Dieses betreut den gemeinsamen Online-Verbundkatalog, der von den Teilnehmern als zentrales Katalogisierungs- und Recherche-Instrument genutzt wird, und es übernimmt die Datenlieferung an die Lokalsysteme.

Übersichtskarte: 6 regionale Verbundsysteme in Deutschland

Die überwiegende Mehrzahl der wissenschaftlichen Bibliotheken ist heute einem der sechs regionalen Verbundsysteme angeschlossen. Eine weitere Konzentration zeichnet sich ab.

Die folgende Karte zeigt die Verbundregionen und zugehörigen Katalogsysteme.

 

Deutschlandkarte, in die die Grenzen der sechs Verbundsysteme eingezeichnet sind. Der Gemeinsame Bibliotheksverbund Göttingen erstreckt sich über die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen (GBV). Der Kooperative Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg (KOBV) umfasst diese beiden Bundesländer. Der HBZ-Verbund beim Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen umfasst NRW und Rheinland-Pfalz. Für Hessen gibt es das Hessische Bibliotheks-Informationssystem (HeBIS). Der Südwestdeutsche Bibliotheksverbund (BSZ) umfasst das Saarland und Baden-Württemberg. Für Bayern gibt es den Bibliotheksverbund Bayern (BVB).

Kooperation

Seit 1983 erfolgt die Zusammenarbeit der Verbundsysteme in einer Arbeitsgemeinschaft (AGV), deren Sekretariat in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) angesiedelt ist.

Trotz dieses Zusammenschlusses haben die Verbünde es bislang nicht geschafft, ihre Katalogdaten untereinander auszutauschen oder eine gemeinsame, nationale Verbunddatenbank zu erzeugen. Wohl bemühten sie sich um die Entwicklung übergreifender Schnittstellen und um eindeutige Identifizierungsmerkmale für Datensätze. Im Jahr 2007 gingen der KOBV und der BVB eine strategische Allianz zur Integration ihrer Daten ein. Seit 2010 tauschen die Verbünde und die DNB die zur Kataloganreicherung eingescannten Inhaltsverzeichnisse, Klappentexte, Register usw. untereinander aus. Die meisten Verbünde liefern ihre Daten an den von OCLC betriebenen WorldCat.

Zur Zukunft der Verbünde

In den Jahren 2010/2011 begannen Überlegungen zur Zukunft der Verbünde, mit dem Entschluss, dass eine grundlegende Reform der Verbundsystem-Strukturen unumgänglich ist.

Gefordert wird neben einer Reduktion der Zahl der sechs Verbünde vor allem der Aufbau eines nationalen Verbundkataloges für alle deutschen Bibliotheken und die Entwicklung zusätzlicher innovativer Dienste, die länderübergreifend entwickelt und angeboten werden. Innerhalb des Verbundsystems soll eine effektive Arbeitsteilung eingeführt werden, die durch ein neu zu schaffendes Gremium koordiniert werden soll. Angeregt wurde ferner, den Wandel des Verbundsystems mit einem Förderprogramm der DFG anzustoßen.

Im Jahr 2017, sechs Jahre später, ist die Neuformierung der deutschen Verbundlandschaft noch immer im Fluss; die vorliegenden Ergebnisse sind höchstens als ein Zwischenstand anzusehen. Es sind im Wesentlichen zwei unterschiedliche, jeweils auf Projektbasis entstandene Modelle zur Weiterentwicklung der Bibliotheksverbünde, speziell auf dem Gebiet der Bibliotheksdateninfrastruktur und der Lokalsysteme:

Das Projekt „Cloudbasierte Infrastruktur für Bibliotheksdaten“ (CIB), an dem die Verbünde BVB, HeBIS und KOBV beteiligt waren, verfolgte die Vereinheitlichung der Nachweissituation durch die Zusammenführung der Metadaten der deutschen Bibliotheken auf cloudbasierten internationalen Plattformen, wie sie von OCLC im WorldCat oder von der Firma Ex Libris in speziellen „Network-Zonen“ zur Verfügung gestellt werden.

Das alternative Modell „libOS – Library Operating System: Eine offene Plattform für Erschließung und Nachweis bibliografischer Daten und die Dienste der Verbünde“, das die übrigen Verbundsysteme, also BSZ, GBV, HBZ sowie die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) favorisierten, setzt hingegen auf die Zusammenführung der regionalen Verbunddatenbanken zu einer einzigen nationalen Datenplattform, die ihre Daten als Linked Open Data zur Verfügung stellt und dadurch auch internationale Anbindungsoptionen eröffnet und deren technische Basis herstellerunabhängig bleibt.

Unabhängig von den großen Zukunftsentwürfen werden in einem ersten Schritt zur strukturellen Konsolidierung der deutschen Verbundlandschaft das BSZ und die Verbundzentrale des GBV, die 2014 eine strategische Partnerschaft eingegangen sind, ihre Datenbestände zusammenführen und eine funktionale Arbeitsteilung für ihre Dienstleistungen absprechen.

Aktuell werden die Katalogisierungsdatenbanken der beiden Verbundzentralen BSZ und VZG  unter dem Arbeitstitel K10plus zu einer gemeinsamen Katalogisierungsdatenbank mit über 180 Millionen Nachweisen fusioniert. Mit Produktionsstart Ende März 2019 werden die angeschlossenen Bibliotheken ihre Bestände in diesem Datenpool katalogisieren und Metadaten für ihre Systeme dort beziehen.

Redaktion und Kontakt

Autor der Bearbeitung
Jürgen Seefeldt
(Stand: September 2022)

Die statistischen Zahlen zu Bibliotheken in Deutschland werden jährlich von der Redaktion mit den Zahlen der Deutschen Bibliotheksstatistik abgeglichen.

Ausführliche Quellenangabe

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