„Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist ein Marathon“

Interview mit Tim Schumann

Tim Schumann leitet die Heinrich-Böll-Bibliothek in Berlin Pankow, die am Pilotprojekt „Klimabilanzen in Kulturinstitutionen“ der Kulturstiftung des Bundes teilgenommen hat. Im Interview berichtet er, wie seine Bibliothek die eigene Klimabilanz analysiert hat und sie nun nach und nach verbessert.

 

Welche „Klimakiller“ konnten Sie im Rahmen des Pilotprojekts identifizieren und welche Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt, um Ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren?

Tim Schumann: Als Klimakiller haben wir vor allem die Gebäude identifizieren können. Dabei sind insbesondere eine fehlende Dämmung sowie eine veraltete (Licht-)Technik die Faktoren, die den CO2-Ausstoß nach oben treiben. Wir haben hier schon konkrete Maßnahmen angeschoben, um eine Reduktion zu erreichen. So hoffen wir z.B., über einen Antrag beim Land Berlin eine Förderung für die Umstellung auf LED-Beleuchtung für zwei unserer acht Standorte zu bekommen.

Für die Heizkörper möchten wir mit Hilfe von Thermostaten wenigstens einen kleinen Effekt erzielen. Erste Informationen zeigen, dass hier bis zu 5 % Einsparungen möglich wären. Das ist kein großer Effekt, aber für eine überschaubare Summe würden sich hier dann doch mehrere Tonnen CO2 im Jahr einsparen lassen. Auch hierfür benötigen wir aber Fördergelder und auch das nötige Know-How.

Der dritte große Emissionsfaktor war die Anreise der Mitarbeiter*innen zur täglichen Arbeit. Hier ist es natürlich deutlich schwieriger Effekte zu erzielen, da wir im Grunde die Menschen dazu ermutigen müssen, ihr Auto stehen zu lassen. Bei diesem Punkt gab es auch Widerstände, mit denen wir umgehen müssen.

Was hat Sie im Verlauf des Projekts besonders überrascht?

Schumann: Im Grunde hat mich wenig überrascht. Allerdings haben wir gelernt, wie wichtig es ist, im Rahmen eines solchen Projekts das Kollegium mitzunehmen und im Vorfeld Aufklärungsarbeit zu leisten, damit diffuse Ängste z.B. vor einem Verbot, nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit kommen zu dürfen, gar nicht erst entstehen.

Positiv hat mich der Effekt überrascht, der vom Bezug von Ökostrom ausgehen kann. Wir haben das Projekt der Klimabilanzierung parallel zur Stadtbibliothek Norderstedt durchgeführt, die nachweislich Ökostrom bezieht. Die Unterschiede in den CO2-Emission sind gewaltig. Wenn wir als Stadtbibliothek Pankow auf Ökostrom umstellen würden, hätten wir allein dadurch weit mehr als 100 t CO2 im Jahr eingespart.

Welche weiteren Schritte planen Sie in Zukunft, um Ihr Haus noch klimafreundlicher aufzustellen?

Schumann: Bevor wir konkret weitere Schritte unternehmen, müssen wir die bisherigen weiter umzusetzen. Dennoch gibt es noch deutlich mehr, was wir als Bibliothek machen können und auch müssen! Das Problem Grundwasser wird in den kommenden Jahrzehnten für die Region Berlin-Brandenburg ein sehr großes Thema werden. Also haben wir auch Wasserspar-Maßnahmen auf unserer To-Do-Liste, z.B. über Wassersparaufsätze für alle Wasserhähne oder Automatikstopp-Wasserhähne.

Gleichzeitig schauen wir weiter, worauf wir verzichten können, wie z.B. Die Foliierung von Büchern.

Für die Heinrich-Böll-Bibliothek planen wir außerdem eine Photovoltaik-Anlage auf unserem Flachdach, was aber ein extrem großes Projekt darstellt und auch mit unserem Vermieter geklärt werden muss.

Das Problem ist auch hier: Für jedes Projekt brauchen wir Fördermittel und Know-How. Bei den knappen Budgets können wir nur extrem wenige Maßnahmen aus dem eigenen Haushalt stemmen.

Um diese ganzen Einzelmaßnahmen zu bündeln, arbeiten wir zudem an einer groß gedachten Nachhaltigkeitsstrategie.

Welche praktischen Tipps können Sie Bibliotheken mitgeben, die ebenfalls CO2 einsparen bzw. nachhaltiger arbeiten möchten?

Tim Schumann: Ich kann leider nur wenige Tipps geben, die wirklich schnelle Effekte haben. Nach meinen Erfahrungen ist ein erster Tipp aber: Lassen Sie das Auto stehen, wenn Sie Alternativen haben! Erst die Klimabilanzierung machte mir deutlich, wie extrem groß der Effekt hier ist.

Eine andere schnelle Maßnahme kann sein, keine Schreibtische vor die Heizkörper zu stellen. Denn das mindert die Heizleistung und erzeugt damit mehr CO2. Dazu selbstverständlich Licht aus, wenn es nicht benötigt wird und alle Standby-Geräte nach Feierabend ausschalten. Das sind Maßnahmen, die mit sehr wenig Aufwand schon messbare Einsparungen bringen.

Ansonsten ist es wie gesagt wichtig, einen umweltfreundlicheren Weg gemeinsam mit dem Team zu bestreiten. Ich sage nicht, dass wir ‚alle‘ mitnehmen müssen, aber wir müssen eine Mehrheit der Menschen davon überzeugen und dazu bringen, ihr alltägliches Verhalten zu verändern und dabei hilft jeder kleine Schritt. Klimaschutz und Nachhaltigkeit ist ein Marathon, den wir möglichst gemeinsam bewältigen müssen, und kein kurzer Sprint mit einem schnell zu erreichenden Ziel.

 

Das Interview führte Lisa Rohwedder, Referentin für Kommunikation und Digitale Medien beim dbv sowie Projektkoordinatorin „Bibliotheksportal“.

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