Kinder brauchen Vorbilder: Türkische Mütter in der Bibliothek (Stadtbibliothek Duisburg)
Neben Standardangeboten und Führungen bietet die türkische Bibliothek in Kooperation mit der RAA Duisburg (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) und inzwischen auch mit anderen örtlichen Institutionen für die türkischen und/oder türkischstämmigen Mütter, die Kinder im Kindergartenalter haben, eine Einführung in die Lesewelt an. Ziel ist es, die sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede des ländlichen und des städtischen Lebens zu erläutern und die Bedeutung des Buches und des Lesens im städtischen Leben zu zeigen.
Die Bedeutung des Lesens verdeutlichen
Migranten aus der Türkei stammen überwiegend aus den ländlichen Gebieten und sind mit ländlichen Kulturtraditionen sozialisiert, die überwiegend oral, nicht literal sind. Sie haben keine Lesesozialisation und sind zudem mit der Schrift nicht richtig vertraut. Die Bedeutung der Sprache, der Schrift und des Lesens beim frühen Lernen ist ihnen nicht bekannt und wird demzufolge auch nicht an die Kinder weitergegeben. In vielen Familien wird immer noch mit einer vor Jahrzehnten aus einer ländlichen Provinz mitgebrachten Sprache gesprochen, die veraltet und mit einem sehr begrenzten Wortschatz ausgestattet ist. Trotzdem wird sie die Muttersprache vieler Kinder, die einige Jahre später auf dieser „begrenzten“ Basissprache Deutsch als Zweitsprache erlernen müssen. Bei der Einführung, die auch die gewöhnliche Bibliotheksführung beinhaltet, werden diese Themen und Probleme erläutert. Dabei wird die Vorbilderrolle der Eltern immer wieder betont. Es wird empfohlen, eine kleine Hausbibliothek aufzubauen, denn das Lesen sollte als alltägliche Selbstverständlichkeit verinnerlicht werden. Kinder werden nur dann Leser, wenn auch Eltern lesen!
Ein Kooperationsprojekt
Das Programm läuft nun im zweiten Jahr. Bisher nahmen dies über 200 Mütter, die überwiegend von RAA Kontaktpersonen betreut wurden, in Anspruch. Inzwischen melden sich auch Multiplikatoren anderer Organisationen, Vereine und Verbände, die in den Stadtteilen mit Frauen arbeiten, an. Motiviert durch die Einführung, erwarben fast alle Mütter einen Benutzerausweis. Auch die klassischen Angebote der Kinderbibliothek wie Theatervorführungen oder Vorlesespaß, werden immer mehr von der Zielgruppe angenommen. Mitgebrachte Freunde und Nachbarn sorgen dafür, dass die Nutzergruppe stetig wächst.
Autor und Kontakt
Yilmaz Holtz-Ersahin, Interkulturelle Bibliothek der Stadtbibliothek Duisburg